17. Dezember 2007

Redaktion eVet April 07

Alles dreht sich um die Liebe...
und die Derwische drehen sich um sich selbst
Dschalal ad-Din ar-Rumi entwickelte eine Lehre, in der die Liebe als hauptsächliche Kraft des Universums gilt. Der bedeutendste sufistische Poet, der im damaligen Persien und heutigen Afghanistan 1207 geboren wurde, erzählt in seinem bekanntesten Werk „Masnawi" (türkisch „Mesnevi")von spirituellen Praktiken, mithilfe derer sich der Mensch von der Tyrannei des falschen Selbst befreit. Das falsche Selbst wird von materiellen Bedürfnissen versklavt und dieses Ego stellt einen inneren Konflikt in der Seele des Menschen dar. Das wahre Selbst wird vom Ego verwirrt, welches widersprüchliche Impulse aussendet. So verliert das Selbst den Kontakt zum Herzen, das für die Wahrnehmung der Wirklichkeit zuständig ist. Mawlawa (persisch/arabisch „unser Herr/Meister") Rumi erklärt, dass nur die Trennung von diesem falschen Ego das wirkliche Menschsein ermöglicht. Aus diesem Grund tanzen die Derwische, sie drehen sich in einer Art Trance, um das irdische physische Ich zu verlassen und sich in universeller Energie aufzulösen.
Rumi gründete in Konya in Anatolien, wo er sich nach dem Einfall der Mongolen und seinem Haddsch nach Mekka niederließ,den Mawlawi-Orden. Derwische sind Anhänger des Sufismus, sie werden auch Sufi genannt. Die Bewegung ist weitaus älter als der Islam selbst, wobei sie Sufis zufolge erst ab dem Auftreten von Mohammed voll erblühte. Die frühen Sufis des siebten Jahrhunderts waren einzelne Asketen und Einsiedler, die den Standpunkt vertraten, dass der Weg zu Gott nur über eine der Welt entsagende Lebensweise möglich ist. Durch die Entsagung den irdischen Gütern gegenüber ist ein ausschließlich spirituelles Leben erst möglich. „Sufismus bedeutet, nichts zu besitzen und von nichts besessen zu sein" (Abu Nasr as-Sarradsch). "Sufismus ist Ruhm im Elend, Reichtum in der Armut, Herrschaft in Dienstbarkeit, Sättigung im Hunger, Leben im Tode und Süße in der Bitterkeit..." Abu Sa'id (1049-1061).
Der Begriff Derwisch wird vom persischen „Tür" bzw. „Bettler" abgeleitet und steht symbolisch für den Bettler an der Türschwelle zwischen diesseitiger irdischer, materieller und jenseitiger universeller Welt. Der Weg eines Derwisch geht durch mehrere Stationen. Zuerst muss er sich von den Besitztümern lösen bzw. sie mit anderen Brüdern und Schwestern teilen. Fortgeschrittene sehen sich als bloße Verwalter der Dinge, nicht als wirkliche Besitzer. Wer die Wahrheit erkannt hat, legt keinen Wert auf Äußerlichkeiten, Eigentum oder gesellschaftlichen Stand. Das oberste Niveau ist die Erkenntnis, dass nichts und niemand von Gott getrennt ist, es gibt „kein ich und kein Du". „Weißt Du, was Liebe ist? Zu lieben heißt, das „Ich" und das „Wir" und all unsere Vorstellungen im Hinblick auf das „Sein" zu vergessen und alle Wünsche und alle Schönheit im Schöpfer der Schönheit aufzulösen" (Rumi). Nach seinem Tod 1272 wurde Rumi in einem Mausoleum beigesetzt, das heute als Museum das Wahrzeichen der Stadt Konya darstellt. Atatürk verbot 1925 mit der Untersagung jeglicher Religionsausübung die Sema, wie das Tanzritual auch genannt wird. Doch die Tänzer sind wieder aufgetaucht und drehen sich nach den überlieferten Regeln Rumis.
Seine Lehren der Liebe als oberstes Gesetz haben im Jahr seines 800. Geburtstags (September 1207) längst den Weg vom Orient in den Okzident gefunden. Menschen unterschiedlichster religiöser Überzeugung und Herkunft lassen sich von dem Mystiker und seinen Weisheiten und Versen, in denen es um das Herz geht, begeistern. Sein „Masnawi" wurde vom persischen in 20 weitere Sprachen übersetzt. Die UNESCO hat die tanzenden Derwische der Türkei zum immateriellen Weltkulturerbe ernannt.